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Zu viel Iran

Campen im Industriegebiet

Abenddämmerung an der Si-o-Se Pol Brücke über den ausgetrockneten Fluss Zayandeh Rud in Isfahan
Abenddämmerung an der Si-o-Se Pol Brücke über den ausgetrockneten Fluss Zayandeh Rud in Isfahan

Nach dem Festsitzen in der Wüste, suchen wir uns in Isfahan als erstes eine Werkstatt, die uns Sandbleche anfertigen kann. Die ganze Stadt ist LKW-Verbotszone, so dass die LKW Werkstätten außerhalb in einem Industriegebiet angesiedelt sind. Das hat auch seinen Grund, da fast alle iranischen LKWs von einer EURO Norm noch nie gehört haben, und fleißig Fein- und Grobstaub in die Luft pusten. Die Luftverschmutzung ist so stark, dass man sie sehen, riechen, schmecken und sogar fühlen kann.

 

In unserer Reise-App wird eine Werkstatt empfohlen deren Besitzer auch gut Englisch sprechen können, also schreiben wir uns eine Liste an notwendigen und nicht so notwendigen Dingen, die wir gerne gemacht haben wollen und begeben uns zu der Adresse.

 

Die beiden Inhaber Vrezh und Arvin sind Brüder, deren Familie ursprünglich aus Armenien stammt. Neben den dringend benötigten Sandblechen, ist uns vor kurzem auch die Duschwannne gerissen, wir brauchen also Ersatz. Auch hätten wir gerne eine Klimaanlage im Fahrerhaus, damit Schrumpel sich während der Fahrt etwas abkühlen kann.

 

Darstellung der Hölle in der armenischen Vank Kathedrale in Isfahan
Darstellung der Hölle in der armenischen Vank Kathedrale in Isfahan

Für die Klimaanlage werden wir an einen befreundeten Shop verwiesen, die Bleche und die Duschwanne werden von den beiden gebaut. Insgesamt dauern die Arbeiten 8 Tage. Angepeilt waren eigentlich vier. Aber wie immer wird man mit einem „Do not worry“ vertröstet und erhält absolut keine Auskunft wann es denn nun endlich fertig ist. Da wir uns kein Hotel nehmen wollen, bleiben wir die Zeit im LKW.  

 

Die Werkstätten sind kleine Shops von 15m² die voll von Metallbearbeitungsmaschinen stehen, repariert werden die Laster auf der Straße. Dafür wird dann auch gerne in zweiter oder dritter Reihe geparkt, um dann Bremstrommeln zu wechseln oder andere kompliziertere Arbeiten durchzuführen.

 

Durch Schrumpel sind wir in kürzester Zeit im ganzen Viertel bekannt. Hunde gelten im Iran generell als unrein und niemand würde auf die Idee kommen sich einen Hund als Haustier zu halten, geschweige denn ihn an einer Leine durch die Stadt zu führen. Dazu gibt es im Iran keine Bulldoggen, was ihn noch faszinierender macht. Zu guter Letzt ist das Symbol der hier noch weit verbreiteten Mack-Trucks eine Bulldogge. Somit werden wir auf unseren Spaziergängen alle 10m angehalten, um zu hören, dass dieser oder jener auch einen Mack fährt oder aus unerklärlichen anderen Gründen unbedingt ein Selfie mit sich und Schrumpel braucht. Auch wenn das ständige Geknipse bald nervt, lernen wir so viele Leute kennen: Den Getriebeverkäufer von zwei Shops weiter, den Supermarktinhaber und auch Chicken-Asrah, dessen Hühnchen-Kebab bei Brummifahrern landesweit berühmt ist.

 

Irgendwo im Nirgendwo
Irgendwo im Nirgendwo

Aufgrund der Luftverschmutzung im Industriegebiet verbringen wir die ersten Tage mit Ausflügen in die Innenstadt. Vrezh ist sehr bemüht und empfiehlt uns schöne armenische Kirchen und andere Highlights der Stadt. Nach ein paar Tagen werden wir jedoch Stadt-müde und es wird uns alles zu viel: Zu viel Luftverschmutzung, zu viele Selfies mit dem Hund, zu viele penetrante Einladungen von wildfremden Iranern, die nicht verstehen wollen, warum wir uns nicht gerne ihrer gesamten Familie vorführen lassen wollen, zu viele fremde Menschen, die auf der Straße Johann abknutschen oder ihn uns einfach aus der Hand reißen wollen, einfach zu viel Stadt und zu viel Iran.

 

Sobald die Arbeiten beendet sind, verlassen wir die Stadt. Leider müssen wir noch einmal umkehren, da beim Einbau der Klimaanlage eine Kühlerleitung zu nah am Stabilisator verlegt wurde. Die Folge war massiver Kühlwasserverlust nach ein paar Bodenwellen. Erst einen weiteren Tag später lassen wir dann endlich die Stadt hinter uns.

 

Der weitere Weg führt uns über die alte Karawanserei bei Izadkhast in die Wüstenstadt Yazd und von dort weiter nach Süden zu den Ruinen des alten Persepolis. In Persepolis kann man sich Virtual Reality Brillen ausleihen, mit Hilfe derer man erleben kann, wie die Gebäude vor 2500 Jahren mal ausgesehen haben. Ein tolles Gimmick, um die Geschichte zum Leben zu erwecken!

 

Die Südküste

Der Kamelhirte "parkt" seine Herde direkt neben unserem LKW
Der Kamelhirte "parkt" seine Herde direkt neben unserem LKW

Relativ zügig begeben wir uns gen Süden zur Küste. Das Hochland mit 1500m flacht langsam zur Küste ab und ab ca. 700m ziehen die Temperaturen an. Ich freue mich endlich wieder T-Shirt tragen zu können, aber Linda stört das Kopftuch bei der Wärme umso mehr.

 

Auf den langen einsamen Küstenabschnitten finden wir unkompliziert schöne Stellplätze direkt am Strand. Abends kommen ein paar Fischer vorbei und fragen, ob wir etwas brauchen. Auch wenn wir die Frage verneinen, kommen sie etwas später mit 10 Fischen, Brot und Fischaufstrich als Geschenk für uns wieder vorbei.

 

Wir sammeln etwas Feuerholz und bereiten den Fisch über dem offenen Feuer zu. Plötzlich bemerken wir Licht hinter den Dünen und sehen die Silhouette eines Mannes mit Maschinenpistole auf uns zukommen. Freudig wedelnd begrüßt Schrumpel den vermeintlichen Besucher zu später Stunde und rennt auf ihn zu.

Johanns erster "Ritt" auf einem Kamel
Johanns erster "Ritt" auf einem Kamel

Zum Glück nur ein Polizist, wie man an der abgetragenen Uniform erkennen kann. Ich begrüße ihn freundlich und muss Schrumpel am Halsband halten, damit er vor Freude nicht am Polizisten hochspringt und schlimmstenfalls gleich erschossen wird. Nach kurzer Diskussion über den Übersetzer auf dem Handy ist klar, dass die Polizisten uns gerne wegeskortieren möchten. Der Platz hier am Strand sei nicht sicher, es würden sich „schlechte Menschen“ hier herumtreiben und es liefe auch grade eine Anti-Schmuggler Operation der Polizei. Es könnte ja dabei zu Schusswechseln kommen. Obwohl wir gerne geblieben wären, war nichts zu machen und die Polizisten geleiteten uns zu einem 25km entfernt gelegenen Park direkt vor einer Moschee.

 

Der Fisch blieb so am Strand zurück und wir hatten eine sehr laute Nacht mit der typisch iranischen Geräuschkulisse von Parkplatzparties, jugendlichen Mopedfahrern, die durch den Park auf- und ab-brettern und dem Imam der mitten in der Nacht über Lautsprecher die Bevölkerung daran erinnert, dass es in Mekka kurz vor Sonnenaufgang ist, also Zeit zum Beten. 

 

Am nächsten Tag, dasselbe Spiel: Ein toller einsamer Platz am Strand, dann abends um 20:00 kommt die Polizei. Diesmal kann ich sie überzeugen, dass wir bleiben dürfen, muss aber versprechen, dass wir gleich am nächsten Morgen weiter fahren.

 

Auf der LKW Fähre nach Qeshm wird so dicht aneinander gestanden, dass man nicht mehr die Tür öffnen kann.
Auf der LKW Fähre nach Qeshm wird so dicht aneinander gestanden, dass man nicht mehr die Tür öffnen kann.

Wir schauen also wann die nächste Fähre Richtung Dubai ablegt und wie schnell wir in Bandar Abbas am Hafen sein können. Da es noch einige Tage bis zur Abfahrt sind, entschließen wir spontan auf die Insel Qeshm überzusetzen. Die gesamte Insel ist aufgrund ihrer einzigartigen Täler, Schluchten und Felsformationen zu einem Geo-Park gemacht worden und die Felsen sind tatsächlich auch für den Laien interessant anzuschauen.

 

Wir finden einen schönen Platz an der Westküste der Insel und hoffen, dass uns diesmal kein Polizist findet. Stattdessen kommen bei Abenddämmerung Kamele vorbei. Erst nur ein paar, dann immer mehr und schlussendlich tauchen auch die zugehörigen Kamelhirten auf. Sie beginnen die Tiere direkt neben unserem LKW die Beine zusammenzubinden und füttern sie.

 

Wir bekommen von den Hirten euterwarme Kamelmilch geschenkt und Johann darf auch mal auf einem Kamel probesitzen! Tapfer probieren wir die salzige Milch und trinken genug um höflich zu sein, aber nicht zu viel um nachgeschenkt zu bekommen. Da ja Besuch da ist, rufen die Hirten die gesamte Familie an, doch schnell mal vorbeizukommen. Johann wird herumgereicht und die Frauen und Kinder der Hirten bekommen eine Tour durch den LKW.

 

 

Kurz nach Einbruch der Dunkelheit legen sich die Kamele direkt neben dem LKW schlafen und lassen sich auch nicht von unserem Lagerfeuer stören. Die Geräuschkulisse ist einzigartig. Das laute Schnauben und Rülpsen, die wilden Drehungen und das Schubbern auf dem steinigen Untergrund um die 2cent-Stück großen Kamelzecken loszuwerden, sowie minutenlanges Urinieren was an einen Wasserfall erinnert