Nach ein paar Tagen machen wir uns auf eine Reise, auf die wir uns schon lange freuen und steigen in einen Flieger Richtung Borneo. Von Pankalan Bun aus geht es in die Hafenstadt Kumai. Dort chartern wir ein Klotok, ein zweideckiges hölzernes Flussschiff, dass uns weiter stromaufwärts in den Tanjung Puting Nationalpark bringen soll. Zu dem Klotok, dass wir samt Kapitän und Matrose mieten, müssen wir noch eine Köchin und einen Guide einstellen.
Am nächsten Tag geht es los. Anfangs sehen wir nichts als Palmölplantagen entlang des Flusses, und das Wasser ist eine braune, von einem schmierigem Ölfilm bedeckte, Suppe. Zusätzlich wird der Fluss von vielen See-Frachtschiffen als Parkplatz benutzt. Wir verlassen den großen Fluss in einen Seitenarm und ein Schild heißt uns herzlich im Nationalpark willkommen. Komisch, denn außer Ölpalmen können wir immer noch nichts am Flussufer erkennen.
Nach einigen Stunden langsamer Fahrt flussaufwärts ändert sich die Vegetation endlich, zumindest auf einer Seite des Stroms. Nun kommt der Dschungel zum Vorschein und wir sehen die ersten Waldbewohner: Eine Bande Nasenaffen belagert eine Gruppe von Bäumen am Uferrand. Nach einiger Zeit bekommen wir sogar das Männchen der Gruppe zu Gesicht, dass wir, anhand seines hübschen Fells und vor allem anhand seines mächtigen Riechkolbens, eindeutig identifizieren können.
Das Bootfahren gefällt uns. Wir sind die meiste Zeit allein an Deck und werden von unserer vierköpfigen Crew umsorgt und (dank eigens dafür eingestellter Köchin) schon beinah gemästet. Auf dem Deck wird eine große Mattratze mit Moskitonetz bereitgestellt auf der wir eine angenehme Nacht im Dschungel verbringen, mit nichts außer den Geräuschen des Waldes um uns herum.
Die Hauptattraktion bleibt uns dennoch erstmal verwährt, und wir bekommen keinen Vertreter unserer nahen Verwandschaft mit den roten Zotteln zu Gesicht. Deren Name, Orang-Utan, heißt direkt
übersetzt Waldmensch und wir besuchen ein Camp in dem Wissenschaftler eben diese Waldmenschen erforschen und um ihr Überleben kämpfen.
Leider steht es nicht sonderlich gut um die Orang-Utans, da Brandrodung, Holzexport und im Besonderen das Pflanzen von Palmölplantagen ihren Lebensraum zerstören. Die Affen finden dadurch kein
Futter mehr und verhungern oder sind gezwungen auf die Palmölplantagen zu flüchten, wo sie von den Plantagenbesitzern als Schädling bekämpft (lese erschossen) werden.
Um dem entgegen zu wirken, haben die Wissenschaftler an verschiedenen Stellen im Urwald Fütterungsplatformen aufgebaut, an denen einmal täglich Früchte und süße Milch deponiert werden. Wir besuchen zwei dieser Orte, haben aber kein Glück. Anstatt der Orang-Utans, werden nur die Mücken gefüttert. Und das zu Tausenden.
Am nächsten Tag steuern wir Camp Leakey, eine Station zum Auswildern von aus der Gefangenschaft befreiter und verwaister Orang-Utans, an. Auf dem Weg dorthin haben wir Glück und erhaschen einen ersten Blick auf einen wildlebenden Artgenossen in einem Baum am Flussufer.
In der Nähe von Camp Leakey gibt es wieder eine Fütterungsplattform, und hier sind die Affen nicht so schüchtern. Drei Affen kommen zur Platform und genießen das von den Rangern bereitgestellte Zuckerrohr und die Milch. Nach einiger Zeit, und nachdem zwei der Ranghöheren Affen von dannen gezogen sind, traut sich auch eine Mutter mit kleinem Baby aus dem Dickicht des Dschungels an die Platform. Die Niedlichkeit der kleinen Babyaffen mit den schwarzen Knopfaugen ist kaum zu übertreffen!
Aber nicht nur die Orang-Utans werden von der Fütterung angezogen. Auch ein Gibbon schnellt mit waghalsigen, bestimmt 5 Meter langen Sprüngen auf die Plattform zu. Er stopft sich seine Hände und Wangen mit Früchten voll und ist genauso schnell wieder weg wie er gekommen ist. Unser Guide nennt ihn nur den Frucht-Sniper, aber die Orang-Utans sind sanftmütige Zeitgenosen und lassen ihn ohne Zeichen von Aggression gewähren.
Auch am Boden bekommen die Affen Gesellschaft. Zwei Wildschweine kommen aus dem Wald, und fressen begierig die runtergefallenen Reste auf. Bei diesem Spektakel hautnah dabei sein zu dürfen ist wirklich atemberaubend und wir fühlen uns fast wie Journalisten bei National Geographic.
Auf dem Rückweg treffen wir weitere Waldmenschen. Eine Deutsche und ihr Guide kommen uns schnellen Schrittes entgegen. Sie werden von einem jungen Orang-Utan Männchen verfolgt, das großes Interesse an dem zusammengeknüllten orangenen Regencape des Guides entwickelt hat. Nach kurzem Gerangel, konnte sich der Guide jedoch durchsetzen und bleibt auch weiter Besitzer seines Capes. Ca. 100 Meter weiter kommt uns ein großes Männchen auf dem engen Waldweg entgegen. Unser Guide erklärt uns, dass Orang-Utan Männchen ca. 8 mal so stark sind wie Menschen. Mit dieser Information im Kopf laufen wir sehr langsam und mit devot gesenktem Blick nur wenige Zentimeter an dem Affen vorbei.
Wir haben Glück. Zurück im Camp zeigt sich das Alpha-Männchen des Waldes, Tom. Er ist gekommen um dem Camp einen Besuch abzustatten, und interessiert sich erstmal hauptsächlich für die Küche. Nach anfänglicher Schüchternheit “posiert” er dann doch noch einmal für unsere Kamera: Einen Fuß stellt er dabei auf einem aus Holz geschnitzten Menschenkopf. Soviel Symbolik wäre gar nicht nötig gewesen, uns war schon von vorherein klar, wer hier der Chef ist.
Wir ankern über Nacht in der Nähe und verbringen den nächsten Morgen mit ziemlich mühsamen Trecking durch den Dschungel. Auch beim zweiten Mal ist das Spektakel an der Fütterungsplatform genauso wunderbar anzuschauen wie am Tag zuvor.
Auf dem Rückweg wartet Ursula auf dem langen Bootssteg auf uns. Ursula, mit ca. 6 Jahren gerade im Orang-Utan Teenager Alter, ist unglaublich von Lindas Rock fasziniert. Sie will garnicht mehr loslassen und bedeutet Linda durch heftiges Gezerre mit ihr in den Wald zu kommen. Ein wenig Geschimpfe von unserem Guide und das drohende Schwingen des Regenschirms schüchtern Ursula dann doch etwas ein, und so kommt es nicht zum Mädelsausflug ins Grüne.
Zurück bei unserem Klotok wartet dann auch schon der nächste Unterhalter auf uns. Rimba, ein jugendliches Männchen, spielt mit der Bootsbesatzung und posiert in hunderten Posen auf dem Pier für die Kamera. Mittlerweile hab ich mich an den zotteligen Umgang gewöhnt und setze mich ruhig neben ihn.
Abends machen wir uns zu einer Nachtwanderung an einer weiteren Researchstation auf. Schlafende Vögel und jede Menge großer Taranteln begrüßen uns im Dschungel. Zwischen den Zweigen können wir sogar noch die leuchtenden Augen und Umrisse einer Zibetkatze erkennen. Leider gelingen uns keine Fotos, dafür darf Linda zurück in der Station noch mit einem kleinen Langschnauzenkrokodil (Sunda-Gavial) knuddeln.