Im Reich der Kellerkinder

Unser Australienaufenthalt geht zu Ende und wir müssen leider unseren lieb gewonnenen Knut verkaufen. Schlau wie wir sind, stellen wir ihn schon ein paar Tage bevor wir Sydney erreichen ins Internet und wollen so die hoffentlich vielen Interessenten kurz hintereinander, an nur ein paar Tagen abfrühstücken. Soviel zur Theorie. Leider meldet sich kein einziger ernsthafter Interessent und wir stehen ein paar Tage später etwas ratlos in Sydney.

Knut im steilen GeländeAlso drucken wir Flyer und verteilen diese in den Hostels von Sydney. Schnell stellen wir fest, dass der Automarkt ziemlich gesättigt ist. Anscheinend verlassen grade mehr Backpacker Australien als neue ankommen, da braucht man kein BWL studiert zu haben, um zu verstehen, was das für den Preis bedeutet. Mist.

Leider meldet sich auch niemand auf die Flyer, und so kommen wir zu unserer letzten Anlaufstelle, dem Sydney Travellers Car Market.

Mitten im Rotlicht- und Partybezirk Kings Cross versteckt sich dieser im dritten Untergeschoss einer Parkgarage. Die gute Seele dieser Parkgarage heißt Craig, ist selbst Backpacker, und verdient sich mit der psychologischen und administrativen Unterstützung der Verkäufer sein Reisegeld. Hier im Keller sitzt eine bunte Ansammlung von Backpackern auf Campingstühlen neben ihren Gefährten und versuchen diese an den Mann zu bringen. Wir gesellen uns dazu und beobachten amüsiert die Szenerie:

Uns gegenüber stehen zwei ca. 19- jährige Mädchen in Batikklamotten neben einem grünen Kombi von Ford. Der Preis für ihr Gefährt ist mit 5000 Dollar recht hoch, und entsprechend interessiert sich kein einziger Käufer dafür. Das stört die beiden jedoch nicht, und sie vertreiben sich die Zeit frohen Mutes mit Bastelstunden, Gitarrenmusik und Gesang.

Der SchlumpfbusKurz nach uns fährt ein mit kiffenden Schlümpfen bunt bemalter Minibus in die Garage und zieht eine große Abgaswolke hinter sich her. Einer der drei ebenfalls jüngeren Eigentümer trägt Schnurrbart und Stirnband und gesellt sich zur Bastelstunde der Kumbaya-Mädels vom grünen Ford.

Nebenan versuchen ein paar Iren ihren über 18 Liter fressenden Geländewagen zu verkaufen, welchen sie erst vor zwei Wochen ebenfalls hier gekauft haben… Es sei dann wohl doch nicht der richtige Wagen für die Langstrecke.

Weiter hinten in den dunkeleren Ecken des Parkhauses stehen noch einige weitere Kombis verschiedener Hersteller und 2 VW Busse sowie weitere asiatische Minivans samt Besitzer auf Klappstühlen.

Linda beim Knut-VerkaufNach ein paar Tagen kennt man jeden im Parkhaus und ist Teil dieser merkwürdigen Gemeinschaft im Keller der Parkgarage geworden. Schnell hat man sich mit den anderen Verkäufern angefreundet, fährt Skateboard durch die Tiefgarage und unterhält sich mit dem täglich vorbeikommenden Müllmann.

Die Erdbeerbuscrew beim BügelbrettbrezelnAlle Verkäufer vereint der Ärger, dass pro Tag nur eine handvoll Interessenten in die Tiefgarage kommen, während das jeweilige Abflugdatum immer näher rückt.

Die sehr netten, aber leicht naiven, Kumbaya-Mädels haben mit ihrem Autoverkauf den größten Zeitdruck, denn sie fliegen in 2 Tagen. Die lustige Schlumpfbus-Crew, mit ihrem buntem Auto, dass mehr als 520 TSD km auf dem Buckel hat, fliegt kurz vor uns. Die muntere Truppe neben uns, hat mit dem Verkauf ihres liebevoll Walter getauften Vans mit Erdbeervorhängen noch am meisten Zeit und geht die Sache daher am entspanntesten an.

Kerstin und Lucas vor ihrem "Moby Dick" mit Schlumpfbus im Hintergrund

Der wohl nervigste Kaufinteressent ist ein Alt-68er der sich Jennifer nennt, obwohl er Jörg heißt. Er findet Gefallen an einem Kombi von einem netten deutschen Pärchen neben uns, mit denen wir am Vortag noch ein Bierchen trinken waren. Wir belauschen das Gespräch, das zu 90% aus einem Monolog besteht wie schlecht Deutschland sei, und warum er diesem Terrorstaat nun den Rücken kehren musste. Die armen Verkäufer müssen sich Stunden um Stunden von diesem Gesabbel anhören um mit ihm dann endlich einen Deal zu machen.

Am nächsten Tag kommt Jennifer zurück und erzählt eine fadenscheinige Geschichte von geschlossenen Bankkonten und Terrorgesetzen, die darin endet, dass er doch kein Geld hat und das Auto nicht kaufen kann. Am Ende will der Zeitverschwender sogar noch Mitleid von dem geknickten Verkäuferpaar. Leute gibts…

Einen Tag vor Abflug der Kumbaya-Mädels kommen zwei sehr schüchterne Jungs um die 18 herein und laufen den Mädels geradewegs in die Arme. Nach etwas Augenklimpern, und Gerede von einer angeblichen 5 Jahresgarantie vom Vor-Vorbesitzer ist der grüne Kombi dann an diese ersten und einzigen Interessenten verkauft. KUMBAYA! DAS muss Karma sein.

Autoverkäufer bei der ArbeitBald merken wir, dass ein Verkauf hier unten nichts mit dem Zustand des Autos zu tun hat. Meistens sind die Käufer um die 18 und haben keinen blassen Schimmer von Autos. So wird zum Testen des Autos bei den Kumbaya-Mädels mal gegen alle Reifen getreten oder sich auf die Anhängerkupplung gestellt. Wenn vor einem Verkauf mal die Motorhaube aufgeklappt wird, können die meisten nur feststellen, dass tatsächlich ein Motor vorhanden ist. Unter ein Auto schaut keiner der Käufer und Probefahrten finden auf den 200 Metern des Tiefgaragengeschosses statt, in denen es schwierig ist in den zweiten Gang zu wechseln. Wichtiger sind da die Farbe der Vorhängen, Extras wie bunte LED-Beleuchtung im Bulli oder ob genügend Teller und Töpfe mit dem Auto verkauft werden…

Am Tag vor den Abflug der Schlumpfbus-Crew wollen diese die Karre einfach nur loswerden, egal zu welchem Preis. Nach demotivierenden Gesprächen mit Autohändlern kommen endlich zwei bärtige Engländer in die Tiefgarage. Die Schlümpfe nutzen die Gelegenheit und präsentieren den Bus zu einem unschlagbaren Preis von 1200 Dollar. Die Engländer können ihr Glück kaum fassen und gehen schnell zum Automaten Geld holen. Leicht geknickt kommen sie zurück, da jeder nur jeweils 500 Dollar aus dem Automat bekommen hat. Da sie zusammen noch 60 Dollar in der Tasche hatten, wechselt nun auch der Schlumpfbus für 1060 Dollar den Besitzer.

Kellerkinder beim gemeinsamen Brezelessen nach erfolgreichem AutoverkaufAn unserem siebtem Tag in der Tiefgarage findet ein französisches Pärchen den Weg zu uns in den Keller. Eigentlich suchen Sie einen Van, aber schnell sind sie von den Vorteilen eines Geländewagens im Outback überzeugt. Am nächsten Tag prüfen sie unseren Knut mit einer Checkliste aus dem Internet auf Herz und Nieren und erlösen uns mit dem Knut-Kauf endlich aus unserem Kellerverlies!

Auch bei den anderen Kellerkindern hat es dann am Ende noch geklappt, und jeder konnte sein Auto vor dem Heimflug noch los werden. Es scheint dann doch so etwas wie Backpacker-Karma zu geben.