Nach einer schaukligen Überfahrt mit der Fähre kommen wir nach fast drei Monaten wieder im Iran an. Unsere Route führt uns aus dem tropisch heißen Bandar Abbas Richtung Bam zunächst in die kühlen Berge. Hier ist das Wetter angenehm, und überall blühen kleine Bergblumen am Wegesrand. Wir sind nach dem langen Sommer wieder zurück im Frühling angekommen!
Die Zitadelle in Bam beschert uns einen schönen Vormittagsausflug in die Stadt und nachdem wir Wasser und Dieseltanks erfolgreich gefüllt haben, machen wir uns tags drauf auf den Weg nach Kerman. Die Stadt liegt auf 1755m Höhe und somit wird es recht frisch. Die Flip-Flops werden gegen feste Schuhe getauscht und auch Linda ist nicht mehr ganz so schlecht auf das obligatorische Kopftuch zu sprechen.
In Kerman haben wir uns mit der Rostocker THW-Laster Crew verabredet, mit denen wir zusammen auf der Fähre waren. Gemeinsam wollen wir eine Woche lang tief in die Lut Wüste (Dascht-e-Lut) fahren. Aufgrund der sehr abgeschieden Lage sind hier zwei Fahrzeuge ein Muss und darüber hinaus sind uns die sieben Jungs und Mädels im THW Laster auch noch überaus sympathisch.
Also verbringen wir einen Tag damit Vorräte zu bunkern, und einen weiteren halben Tag um die Dieseltanks beider Laster zu füllen. Besonders das VOLL-Tanken ist wie immer nicht leicht: Die erste Tankstelle schickt uns weg, da wir ja keine Iranische Dieselkarte haben. An der zweiten bekommen wir immerhin 50l, weil uns ein Lastwagenfahrer auf seine Karte tanken lässt. An der dritten Tankstelle können wir nach längerer meist für uns völlig unverständlicher Diskussion dann endlich volltanken. Ein weiterer Lastwagenfahrer hat gemerkt, dass wir durchaus willig sind etwas mehr für den Diesel zu zahlen und gibt bereitwillig seine Karte raus, um ein schnelles Geschäft zu machen. Na gut, dann zahlen wir halt mit 6 Cent pro Liter den dreifachen Preis der Einheimischen, welcher, bedingt durch die staatlichen Subventionen gepaart mit dem guten Schwarzmarktkurs beim Geldwechseln, aktuell bei ca. 2 Cent liegt.
Nach der Fahrt über den Bergpass auf 2600m liegt die große Wüstenebene der Lut dann vor uns. Es wird wieder warm und wir schalten unsere gute iranische Klimaanlage zu. Die erste Nacht verbringen wir in einem etwas abgeschiedenen Tal der Kaluts – großen Säulen aus verhärtetem Sand und Lehm welche durch Wind- und Wassererosion entstehen und ein fantastisches Landschaftsbild abgeben.
Die Kaluts können noch über eine Asphaltstraße erreicht werden und sind somit beliebtes Ausflugsziel von Iranern zu der Zeit der Neujahrsferien. Wir wollen jedoch so richtig die Wüste erleben und Touristenansammlungen passen da nicht ins Bild. Also fahren wir noch 80km weiter auf der Straße in die Wüste und biegen dann Richtung Süden auf eine Kiesebene ab. Jetzt beginnt das Abenteuer Lut-Wüste. Grob folgen wir dem GPS Track der Pistenkuh in umgekehrter Richtung. (Vielen Dank an Burkhard und Sabine für das Veröffentlichen der Daten!)
Das Terrain lässt sich gut befahren, der Luftdruck wird nur leicht abgelassen und langsam suchen wir unseren Weg durch die weite Ebene. Es ist heiß und die beiden Laster ziehen große Staubfahnen hinter sich her. An den Spuren des vorfahrenden Lasters kann man gut erkennen wo die weichen Stellen unter der zentimeterdicken Staubschicht liegen und passt die Fahrt entsprechend an.
Das THW-Team – welches außer der Vergangenheit des blauen Reisegefährts nichts mit dem THW verbindet – fährt zur Hälfte auf dem Dach und macht den Ausguck. Über Funk stehen wir mit den beiden Teams (THW Dach und Kabine) in Kontakt.
Wir verbringen den Abend am Fuße einer Bergkette mit Lagerfeuer und Gesellschaftsspielen. Spiele hat die THW Crew zu Hauf dabei, und je nach Laune von Hund und Kind haben wir in den nächsten Tagen auch Zeit die eine oder andere Runde mitzuspielen.
Am nächsten Nachmittag erreichen wir die große Dünenkette im Osten der Lut. Wir suchen uns einen Übernachtungsplatz am Fuße der Dünen und schauen besorgt auf ein paar aufziehende Regenwolken. Die zahlreichen ausgewaschenen Bachläufe sprechen ja dafür, dass es auch hier ab und zu Regen gibt, auch wenn das knochentrockene Klima dies nicht vermuten lässt. Zum Glück zieht die Regenfront vorbei und außer zwei, drei Tropfen werden wir vom Regen verschont.
Das Terrain wird sandiger und wir waren zu zaghaft damit rechtzeitig den Luftdruck weiter abzulassen. Somit fahren sich am nächsten Tag beide Laster kurz hintereinander in den Dünen fest. Bei 9 Personen sind die Laster mit ein wenig Schaufeln, Luftdruck ablassen und Sandblechen Unterlegen jedoch schnell wieder auf Kurs. Keine 10 Minuten dauert der ungeplante Stopp. So macht das Offroad-Fahren Spaß!
Wir lösen uns von der Dünenkette und fahren durch die staubige Ebene zum „Auge der Lut“. Der Salzsee trägt den Namen, da er auf Sattelitenfotos einem Auge ähnelt. Das Wort „See“ ist dabei jedoch etwas zu hoch gegriffen, „Matschkrater“ trifft es etwas akkurater. An der Abbruchkante des Kraters hat man einen hervorragenden Ausblick und wir beschließen hier die Nacht zu verbringen. Der Wind frischt auf und bald bläst es ziemlich heftig. Der Plan im Windschatten einer Düne zu campieren stellt sich schnell als Fehlentscheidung heraus. Der Wind weht einen konstanten Sandstrom in das Camp und die Fahrzeuge. Also nochmal umparken und auf der weiten Ebene zwar nicht wind- aber dafür sandgeschützt stehen.
Der Wind lässt über Nacht nach und am nächsten Tag erreichen wir einen breiten Canyon der die Grenze zwischen Dünenlandschaft und Ebene bildet. An der Kante geht es ca. 150m hinab und wir bekommen einen einfach atemberaubenden Ausblick über Dünen und mächtige Kaluts die zwischen dem Sand empor ragen.
Nach einigen Kilometern finden wir eine befahrbare Passage hinab in den Canyon und schlagen unser Lager auf gehärtetem Lehmboden zwischen einigen kleineren Kaluts auf. Wir beschließen, uns einen Tag Fahrpause zu gönnen, und planen zwei Nächte zu bleiben. Den Tag verbringen wir mit Wikingerschach, Gesellschaftsspielen, und Wanderungen zwischen den Kaluts.
Am Nachmittag des zweiten Tages frischt der Wind wieder auf und wandelt sich zunehmend in einen fiesen Sandsturm: Erst verdunkelt sich der Himmel und bald darauf fällt die Sichtweite auf unter zehn Meter. Es weht Sand! Überall Sand! Jeder Schritt vor die Tür gleicht einem Ausflug in eine Sandstrahlkabine. Augen, Mund, Nase müssen geschützt werden um überhaupt draußen klar zukommen. Zum Glück habe ich eine Schutzbrille für Arbeiten mit der Flex dabei, welche mir im Sturm gute Dienste leistet.
Der Wind bläst so stark, dass sich das Vorzelt der THW Crew bald verabschiedet und in einer nächtlichen Aktion wieder notdürftig am Laster verstaut werden muss. Am nächsten Tag hat der Wind leider nicht nachgelassen. Der Sandsturm tobt weiter um die beiden Laster herum. Ein Expeditionstrupp zu Fuß hinauf auf die Ebene vermeldet schnell, dass es dort noch heftiger stürmt und wir auf dem harten Lehmboden schon den besten Platz im Sturm haben. Hier wird einem wenigstens nicht der Sand unter den Reifen weggezogen. Alle Hoffnungen doch noch heute loszufahren werden schnell zerschlagen.
Die Temperatur liegt tagsüber bei 36°C, auch nachts fällt das Thermometer nicht unter 28°C. Somit sind wir gezwungen die Tür und ein Fenster auf der windabgewandten Seite offen zu lassen um die ohnehin schon wärmeempfindliche Bulldogge nicht den Hitzetod sterben zu lassen. Das Innere der Wohnkabine passt sich somit schnell der umliegenden Dünenlandschaft an: Auf dem Boden liegt 2 cm hoch Sand, Küche, Polster und alle anderen Oberflächen sind mit einer dicken Staubschicht überzogen. Reinigungsarbeiten gleichen einer Sisyphos Aufgabe und werden schnell eingestellt.
Die Stimmung ist etwas gedrückt, wir machen eine Inventur der Vorräte um zu schauen wie viele Tage Sandsturm wir denn noch überstehen können. Aber zum Glück haben wir kein Grund zur Sorge. Proviant und Wasser reichen noch 10 Tage auch wenn die Gerichte dann etwas eintönig werden.
Am nächsten Morgen lässt der Wind dann endlich nach! Es wird schnell gefrühstückt und Kurs auf die 80km entfernte Asphaltstraße genommen. Wir kommen gut voran und die Stimmung ist wieder prima!
In 7 Tagen Wüste haben wir kein einziges Fahrzeug getroffen. Umso erstaunter sind wir als uns plötzlich ein Motorrad und ein Pickup entgegenkommen. In einem Kilometer Abstand halten sie an. Auch wir bleiben stehen. Man beäugt sich durch ein Fernglas. Langsam fahren wir dann auf Sie zu und winken freundlich aus dem Fenster. Jetzt erst bemerken wir die mit Sturmgewehren bewaffneten Personen auf der Ladefläche die verhalten ebenfalls die Hand zum Gruß erheben. Auch die beiden Motorradfahrer sind bewaffnet.
Wir haben ein paar Zeilen über die Opiumschmuggelroute von Afghanistan durch die Lut-Wüste gelesen, dies jedoch schnell wieder verdrängt. Anscheinend ist es noch hoch aktuell.
Schnell fahren wir weiter und hoffen keinen weiteren Personen zu begegnen. Die vermeintlichen Schmuggler werden wohl denselben Gedanken gehabt haben.
Kurz nach dem Mittagessen kehrt der Sandsturm zurück. Der Wetterumschwung geht so dermaßen schnell, dass zwischen absoluter Windstille und undurchblickbarer Sandwand weniger als eine Minute liegen. Langsam fahren wir weiter und achten darauf kurz hinter dem THW Laster zu bleiben, um das Licht der Nebelschlussleuchte und der Warnblinker nicht als Orientierungspunkt im Sandsturm zu verlieren. Die Navigation mittels GPS Track hilft ungemein, trotzdem tauchen häufig Lehmsäulen sehr nah vor dem LKW plötzlich aus dem Sandsturm auf. Es bleibt bei Schrittgeschwindigkeit.
Nach einem langen Fahrtag taucht dann endlich die Asphaltstraße auf. Auch hier tobt der Sturm und wir beschließen so schnell wie möglich raus aus der Wüstenebene und zurück nach Kerman zu fahren, wo wir uns auf eine heiße Hoteldusche und zwei Tage LKW putzen freuen.