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Von der Märchenstadt zum Höllenschlund

Die ganze Stadt ist in weiß und gold gehalten
Die ganze Stadt ist in weiß und gold gehalten

An der Iranisch-Turkmenischen Grenze ist wenig los. Da die Grenze ab 16:00 geschlossen hat, haben wir in der vorherigen Nacht direkt vor dem Tor campiert und sind nach einem ausgiebigen Frühstück morgens früh aufgebrochen. Wir sind das einzige Auto, das die Grenze passieren will. Trotzdem dauert es wieder sehr lange. Auf der Iranischen Seite wird das Fahrzeug gleich zweimal gründlich kontrolliert bevor wir durch das Tor fahren dürfen.

 

Turkmenistan begrüßt uns dann mit einem Haufen Bürokratie: Erst müssen Angaben zum Fahrzeug und den Passagieren erfolgen. Es werden handschriftlich viele Zettel ausgefüllt, deren Inhalt und Zweck uns verborgen bleibt. Dann kommt ein Doktor und misst bei uns dreien die Temperatur, um sicherzugehen, dass wir keine Krankheiten in das Land tragen. Wieder Zettel, die den vorherigen sehr ähneln. Nun dürfen wir am Bankschalter für unseren Einreisestempel bezahlen, natürlich in US Dollar, denn die schwache Landeswährung Manat will hier keiner sehen. Daraufhin wird ein Amtsveterinär gerufen um den Gesundheitsstatus des Hundes zu prüfen. Er schaut in das Impfbuch, entdeckt die Tollwutimpfung, nickt zufrieden und stellt eine Rechnung für die tierärztliche Untersuchung über 20 US Dollar aus. Den Hund will er nicht sehen.

 

In jedem Büro hängt wachend ein Foto des Präsidenten, der mal mit Pferden posiert, mal in Uniform Quad fährt oder – wie im Arztzimmer – in einem weißen Kittel in einem Untersuchungsraum steht. Der Präsident ist nämlich eigentlich Zahnarzt und war unter dem letzten Präsidenten Gesundheitsminister. Wie er sich von der Position an die Spitze des autoritären Landes gemogelt hat, möchte ich gar nicht wissen.

 

 

"Und hier stellen wir noch ein Bauwerk hin, und da noch ein Haus, und dazwischen noch ein Park..."
"Und hier stellen wir noch ein Bauwerk hin, und da noch ein Haus, und dazwischen noch ein Park..."

Zwei Büros weiter müssen ein Haufen weiterer Gebühren entrichtet werden: Straßenmaut, Dieselsubventionsausgleich, Haftpflichtversicherung und ein paar weitere Positionen, die wir nicht nachvollziehen können. Das Ganze wird begleitet durch weitere Zettel in denen zum hundertsten Mal unsere Passnummer, Ausstellungsdatum, etc. aufgeschrieben wird. Die Gebühren belaufen sich auf 183 USD zusätzlich zu den schon entrichteten Posten.

 

In einem weiteren Büro muss ich dann akribisch unsere Route durch das Land auf einer Karte aufzeigen. Es wird genau gefragt, wo wir vorhaben uns wie lange aufzuhalten. Die Planung fällt mir sehr leicht, wir haben ja nur ein 5 Tage Transitvisa bekommen. Es werden (immerhin am Rechner diesmal) wieder dieselben Informationen aus meinem Pass und dem Fahrzeugschein abgetippt und mir dann endlose Zeit später ein GPS Sender ausgehändigt. Anhand dieses Senders kontrollieren die Turkmenen, dass wir auch ja nicht von der angegebenen Route abkommen.

Als letzte Station folgt dann die Kontrolle unseres Fahrzeugs. Zu viert setzen sich die Grenzbeamten in unsere Sitzgruppe und fangen an alle Schubladen, Schränke und Bänke zu öffnen. Ob wir Waffen Drohnen oder Whisky dabeihaben, wollen sie mit versteinerter Miene wissen. Haben wir natürlich nicht und die Grenzer finden auch nichts Ungewöhnliches. Erst als Sie den Staukasten mit unserem Feuerholz öffnen, breitet sich ein Grinsen über den Gesichtern der Beamten aus: „Ahhh, Schaschlyyyyyk!“ ruft einer der Beamten und deutet auf das Holz.

 

Nach sieben Stunden Grenzabfertigung dürfen wir die Grenze verlassen. Wir blieben das einzige Auto in diesem Zeitraum. Nach einigen Kilometern sehr gut gesichertem Grenzstreifen, kommt dann das nächste Tor. Wieder werden Pässe und Fahrzeug kontrolliert und nach weiterer Wartezeit fahren wir dann endlich in die Hauptstadt Ashgabat ein.

 

 

Die Parkanlagen sind allesamt menschenleer
Die Parkanlagen sind allesamt menschenleer

Ashgabat lässt sich kaum beschreiben, so surreal ist diese Stadt. Es sieht aus als ob jemand in SimCity eine Stadt entworfen hätte und nicht aufhören konnte Monumente, Parkanlagen, Statuen und kolossale Gebäude auf einem grünen Feld zu positionieren. Dabei ist alles ist in Weiß und Gold gehalten! Die Gebäude sind weiß und es fahren auch nur weiße blitzrein geputzte Autos auf den lupenrein gefegten Straßen. Farbige Autos sind zwar offiziell nicht verboten, werden aber anscheinend so von der Polizei drangsaliert, dass jeder sein Auto weiß um lackieren lässt. Der Präsident mag halt weiß. Kein Wunder, er ist ja auch Zahnarzt….

 

Wir laufen zwei Tage durch die Stadt und kommen aus dem Staunen nicht mehr raus. Die Architektur der Gebäude ist einfach beeindruckend! Oft orientiert sie sich an deren Verwendungszweck, und so ist zum Beispiel der Flughafen in der Form eines riesigen Vogels entworfen.

 

Wir schlendern durch die riesigen Parkanlagen mit ihren Millionen von gold-weißen Laternen, Statuen, Triumphbögen, Säulen und Brücken und fühlen uns wie in einem Märchen. Dabei haben wir die Parkanlagen fast komplett für uns alleine. Die einzigen anderen Menschen sind die uniformierten Polizisten die in gläsernen Kästen die Statuen bewachen und die unzähligen Gärtner und Putzfrauen die per Hand Unkraut jäten und mit kleinen Besen akribisch die Wege kehren.

 

 

Auf dem Neutralitätsbogen thront der erste Präsident Turkmenistans
Auf dem Neutralitätsbogen thront der erste Präsident Turkmenistans

Etwas außerhalb der Stadt steht der Neutralitätsbogen. Ein weiteres gigantisches weiß-goldenes Monument auf dessen Spitze überlebensgroß eine Statur des ersten Präsidenten Turkmenistans steht. Der raketenförmige Bogen stand wohl früher direkt neben dem Amtssitz des Präsidenten. Nach dem Machtwechsel zum Zahnarzt, hat dieser den Blick auf seinen Vorgänger jedoch nicht mehr ertragen und das Denkmal kurzum an den Stadtrand versetzen lassen.

 

Zu dem Bogen führt eine achtspurige Straße, auf der kein einziges Auto fährt. Auch der um das Monument herum angelegte riesige Park ist menschenleer. Wir sind die einzigen Gäste in dem Café im Park. Vor dem Bogen stehen Soldaten in Galauniform und führen ein Wachwechselritual durch. Niemand ist da um es zu bestaunen. Die Surrealität der Situation gepaart mit der offensichtlichen Verschwendung von knappen Ressourcen des armen Landes lässt uns Gänsehaut bekommen.

 

Ob sich die Stadtbewohner nicht für die Gärten interessieren oder sich nicht hineintrauen bleibt uns leider verborgen.

 

 

Monumente, Paläste, und Laternen soweit das Auge reicht
Monumente, Paläste, und Laternen soweit das Auge reicht

Auf dem Weg aus der Stadt offenbart sich dann die Realität eines Polizeistaats. An der Hauptstraße stehen alle 600m Polizisten und ziehen Autos heraus. Auch wir werden immer wieder kontrolliert – Kein Wunder unser Auto ist ja schließlich nicht ganz weiß, sondern hat eine rote Fahrerkabine…

 

Es kommt ein weiterer Polizeikontrollpunkt. Davor ein Stoppschild, welches von allen Verkehrsteilnehmern ignoriert wird. Auch wir fahren in Schrittgeschwindigkeit über das Stoppschild und halten Blickkontakt, ob die Beamten uns denn wieder herauswinken wollen. Großer Fehler. Der Beamte springt auf und in langer Diskussion erklärt er uns, dass an Stoppschildern angehalten werden muss. Dann die eigentliche Frage die ihn wohl wirklich interessiert:  „Have Cigarettes??“ Denn mit so einer Schachtel könnte man für das Vergehen ja durchaus mal ein Auge zudrücken.

Da wir aus Prinzip keine Schmiergelder zahlen, nutze ich die Sprachbarriere und stelle mich doof. Nach weiteren fünf Minuten gibt der Polizist entnervt auf und lässt uns fahren.

 

Die Straße, die das Land in Nord-Süd Richtung durchquert wurde als sechs spurige Schnellstraße  angelegt. Die drei Fahrspuren pro Richtung sind anfangs noch durch Leitplanken und Mittelstreifen voneinander getrennt. Nach einigen Kilometern gibt es jedoch keine Fahrspurmarkierungen mehr, und kurz darauf wird der Straßenbelag so schlecht, dass die Autos im Slalom über alle 6 Spuren fahren um den knietiefen Schlaglöchern auszuweichen.

 

 

Höllenhund vorm Höllenschlund
Höllenhund vorm Höllenschlund

Wir werden durchgerüttelt. Auch bei sehr, sehr langsamer Fahrt ist es unmöglich alle Schlaglöcher zu umfahren. Alles rappelt, knatscht, und quietscht.

 

Auf halber Strecke durch das fast nur aus Steppe und Wüste bestehende Land verlassen wir die Hauptstraße und campieren am Gaskrater von Derweze. Hier fanden sowjetische Geologen 1971 eine mit Erdgas gefüllte unterirdische Höhle. Der Boden unter der Bohrplattform brach zusammen, wodurch ein großes Loch mit einem Durchmesser von etwa 70 Metern entstand. Um die Freisetzung des giftigen Gases zu vermeiden, wurde beschlossen, es schnell abbrennen zu lassen. Seit dem brennt der Krater und bietet insbesondere bei Dunkelheit ein spektakuläres Bild.

Aufgrund der immensen Hitzeentwicklung des Kraters, stellen wir den LKW etwas abseits. Trotzdem spüren wir die Wärme sobald der Wind zu uns dreht. Wir sind die einzigen Besucher des Kraters an diesem Tag. Erst spät abends gesellen sich Jonas und Lisa mit ihrem Toyota-Bus zu uns. Obwohl die Straße eine absolute Zumutung war, finden wir in Laufnähe zum Krater vier (!) neu angelegte Helikopterlandeplätze. Vielleicht war also vor kurzem der Zahnarzt zu Besuch?

 

 

Campen am Krater
Campen am Krater

Am nächsten Tag geht es weiter gen Norden. Als wir dachten die Straße könnte unmöglich noch schlechter werden, dreht sich das Verhältnis von Straßenbelag zu Loch. Nun gibt es mehr Loch und nur noch ab und zu einen Flecken Belag. Wir quälen den LKW Richtung Grenze und sind heilfroh als wir endlich die Grenzstadt Köneürgenç erreichen.

 

 

Kurz vor der Grenze merken wir dann, dass eine unserer Starterbatterien die 500km Lochpiste nicht überstanden hat. Eigentlich sollten die verbauten Optima Batterien laut Angaben des Herstellers extrem rüttelfest sein. Doch mit turkmenischen Straßen hat hier wohl auch keiner gerechnet. Da es in Zentralasien keinen Ersatz für die Batterie gibt, fahren wir seither ohne Starterbatterien und nutzen die Wohnraumbatterien zum Starten. Zum Glück hatten wir beim Bau des Wagens ein entsprechendes Kabel verlegt, so dass dies ohne großen Aufwand möglich ist.