Entlang der Seidenstraße

Nur noch die alten Schiffswracks erinnern daran,  dass der Aralsee einmal bis nach Moynak gereicht hat.
Nur noch die alten Schiffswracks erinnern daran, dass der Aralsee einmal bis nach Moynak gereicht hat.

Wir reisen bei Nukus im Westen Usbekistans ein. Die Stadt ist auch für usbekische Verhältnisse schon recht abgelegen, und so versuchen wir vergeblich eine neue Starterbatterie für unseren Truck aufzutreiben. Wenn man nicht grade Teile für einen Daewoo oder Chevrolet sucht, ist man hier schnell aufgeschmissen. Die Daewoo-Chevrolets werden in Usbekistan lokal gebaut, und so prägen die kleinen Chevi-Minibusse (Super Damis) und Kleinstwagen (Matiz) das Straßenbild. Der gesamte öffentliche Nahverkehr wird mit den Chevi-Minibussen abgedeckt, und da diese gerne kurzfristig mitsamt einer Vollbremsung rechts rüber scheren um einen am Straßenrand wartenden Fahrgast einzusammeln, muss man tierisch aufpassen nicht einen davon mit dem LKW über den Haufen zu fahren.

 

Wir treffen Jonas und Lisa wieder und brechen gemeinsam auf den Aralsee zu erkunden. Zuerst fahren wir nach Moynak und besuchen den Schiffsfriedhof. Die Stadt lag einst am Ufer des Sees und so kann man nun die rostigen Überreste von einer Hand voll Fischkutter auf dem sandigen Steppenboden – hunderte Kilometer vom Wasser entfernt - bestaunen.

 

 

"Mercedes Flügeltürer" vor dem Aralsee
"Mercedes Flügeltürer" vor dem Aralsee

Wir fahren auf abenteuerlich schlechten Pisten weiter über den ehemaligen Seegrund. Alle paar Kilometer wurde ein Bohrturm aufgebaut um die Gasvorkommen der Region auszubeuten. So ergibt sich abends ein sehr eigentümliches Bild: Man campt mitten in der wilden Steppe zwischen den Büschen und sieht in der Entfernung die hell leuchtenden Bohrtürme der Gasgesellschaften.

Am nächsten Tag erreichen wir die Abbruchkante, die das ehemalige Seeufer hinterlassen hat. Das Plateau liegt nun ca. 100m über uns, und wir müssen eine steile Piste hinauf fahren um uns entlang der Abbruchkante auf die Suche nach dem See zu machen. Das Wasser kommt erst nach weiteren 2 Stunden Fahrt entlang der Kante in Sichtweite. Straßen gibt es hier nicht mehr. Vielmehr schlängelt sich eine Vielzahl von Fahrspuren durch die Graslandschaft. Sobald eine Fahrspur zu ausgefahren ist, wird nebendran eine neue gebildet.

Es gibt keine Siedlungen am See und so treffen wir in den zwei Tagen nur auf zwei andere Autos. Einen Touri-Jeep „Aral-Sea Discovery“ und einen alten UAZ von der örtlichen Telefongesellschaft. Als wir dann endlich am See stehen ist das Erlebnis etwas ernüchternd. Durch den stetigen Rückgang des Wasserlevels, besteht das Ufer aus übelriechendem lehmigem Schlamm. Der Plan einmal im Aralsee zu baden wird also schnell verworfen und wir campen lieber etwas oberhalb des Seeufers auf den Hügeln der in sich zusammengebrochenen Uferkante.

 

 

Die Gassen der historischen Altstadt von Xiva sind gesäumt mit Souvenierverkäufern
Die Gassen der historischen Altstadt von Xiva sind gesäumt mit Souvenierverkäufern

Das Terrain ist durchlöchert von Gräben und Höhlen. Teils gegraben durch die Vielzahl der hier lebenden Gelbziesel, teils gebildet durch die Auswaschungen des sich zurückziehenden Wassers. Zweimal sacken wir beim Erkunden der näheren Umgebung bis zu den Oberschenkeln in den Boden ein. „Hoppla, gut dass wir hier nicht mit dem LKW lang gefahren sind“, lautet mein Kommentar als ich beim Pinkeln unverhofft ein halbes Stockwerk tiefer stehe. Einige der Löcher sind sogar bis zu vier Meter tief. Glücklicherweise landet keiner von uns sechsen in den tiefen Graben und wir können abends beim Lagerfeuer gemütlich den Tag ausklingen lassen.

 

Zu Sowjet-Zeiten gab es auf einer Insel im Aralsee eine streng geheime Biowaffenfabrik und Forschungsanlage „Aralsk 7“. Durch den Rückgang des Wassers ist diese ehemalige Insel nun mit dem Auto erreichbar. Die Überreste der alten Militäranlage sind ein Traum für jeden Fotografen von Lost-Places. Auch mich reizt der Besuch des alten Arsenals. Doch der Verstand gibt dem Entdecker eine klare Absage. Das Gelände wurde zwar Anfang der 2000er von den Amerikanern gereinigt, jedoch gibt es in der Umgebung immer noch Ausbrüche von Milzbrand, Pest und anderen Erregern mit denen damals unvorsichtig herumexperimentiert wurde. Johann in eine solche Umgebung zu fahren kann ich nicht verantworten, somit trennen wir uns von Jonas und Lisa, die ohne Hund und Kind risikoaffiner unterwegs sind.

 

 

Die Bauwerke der alten Seidenstraßenstädte wurden in den vergangenen Jahren aufwändig restauriert.
Die Bauwerke der alten Seidenstraßenstädte wurden in den vergangenen Jahren aufwändig restauriert.

Über schlechte usbekische Landstraßen fahren wir weiter Richtung Osten. Entlang der ehemaligen Seidenstraße besuchen wir die alten Städte Xiva, Buchara und Samarkand.

 

Die Städte sind in den letzten Jahren aufwändig restauriert worden und ziehen nun eine Heerschar Touristen an. Die alten Gassen der Innenstädte sind gesäumt von Souvenirhändlern und man kann vom original Usbekischen Brotstempel bis zum handgeknüpften Seidenteppich alles erstehen.

Trotz der vielen Touristen genießen wir den Stadtbummel bei sommerlichen Temperaturen. Besonders die Mädressen des Registrans in Samarkand beeindrucken durch ihre prachtvoll verzierten Bögen und grün gestalteten Innenhöfen. Auch die prachtvollen Grabmäler des alten Friedhofs Shah-i—Zinda, sowie das Mausoleum des großen Eroberers Amir Timur gefallen uns sehr.

 

Das Tanken in Uzbekistan ist abenteuerlich. Viele kleine Tankstellen säumen die schlechten Fernstraßen des Landes. Oft sind die Tankstellen spezialisiert, und führen nur eine Sprit- oder Gassorte. Man muss also häufiger mal fragen, ob die Tankstelle Diesel führt. Jedoch finden wir die Warnungen, dass Diesel schlecht verfügbar wäre – zumindest zu unserer Reisezeit – völlig unbegründet. Während der Erntezeit, wenn alle Landmaschinen ebenfalls tanken wollen, kann dies natürlich anders aussehen. Lediglich im Westen gab es weniger Tankstellen. Mit etwas Herumfragen findet sich aber immer jemand, der jemanden anruft und eine halbe Stunde später steht ein alter Lada mit einem Kofferraum voller Dieselkanister neben einem.

 

 

Prächtige Grabbauten prägen den Friedhof Shah-i-Zinda in Samerkand
Prächtige Grabbauten prägen den Friedhof Shah-i-Zinda in Samerkand

Beim Tanken an der Tankstelle wird in Usbekistan immer in Vorkasse gezahlt und dann die Säule mit der gezahlten Literzahl freigeschaltet. Das ist schon etwas verwirrend, da die Säule vorher nicht genullt wird, und man auf dem uralten analogen Zeiger einen Startbetrag von über 70 Liter vorfindet.

 

Als eines der letzten Relikte der Sowjetunion gibt es in Usbekistan noch die Meldepflicht für Ausländer. Diese wurde in den letzten Jahren zwar dahingehend geändert, dass man nicht mehr täglich zur Polizeiwache spazieren muss, sondern die Hotels dies online für einen beim Check-in durchführen können, jedoch ist man dadurch nun auf ein Hotel angewiesen. An Campingurlauber hat hier niemand gedacht. Für eine Nacht machen wir einen Deal mit einem Guesthouse, gegen einen kleinen Obulus auch so eine Registrierung zu erhalten. Damit haben wir zumindest einen der Registrierungszettel die wir bei Ausreise vorzeigen können.

 

Tatsächlich werden wir am Grenztor nach den Zetteln gefragt. Zum Glück spricht der Grenzer am Tor kein Englisch, und so kann ich die Sprachbarriere voll für mich ausnutzen und stelle mich dumm. Nach fünf Minuten Diskussion mit Händen und Füßen wird es dem Grenzer zu blöd und er winkt uns durch das Tor.

  

 

Wir stellen uns wieder auf eine gründliche Durchsuchung des LKWs ein. Doch statt wie gewohnt Klappen, Schubladen und Schränke zu öffnen, machen es sich die Grenzbeamten zu viert in unserer Sitzgruppe bequem und fangen an mit den dimmbaren Lichtschaltern zu spielen. Die Männer in Uniform haben einen Heidenspaß dabei, zu beobachten, wie das Licht heller und dunkler wird. Auch wird nun kontrolliert, ob wirklich Wasser aus dem Hahn in der Küche kommt, wenn man diesen öffnet. Nun entdecken die Beamten die Fotos von Schrumpel an der Wand. Wuff-Wuff äffen sie den Hund nach. Als ich ihnen bedeute, dass der Hund tatsächlich vorne im Führerhaus sitzt, ernte ich ungläubige Blicke und habe einen tollen Vorwand die Soldaten endlich von den Lichtschaltern weg und aus dem Wohnkoffer heraus zu locken…