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(Höhen)krank im Pamir

Die gute Straße sollte leider sehr bald enden.
Die gute Straße sollte leider sehr bald enden.

Nach erfolgreicher Reparatur unserer Klimaanlage in Duschanbe brechen wir im zweiten Anlauf erneut Richtung Pamir auf. Wir wählen die südliche Route über Kulob, um zumindest einen Teil der Strecke auf guten Straßen zurücklegen zu können. Und tatsächlich ist die Straße bis auf wenige Kilometer Ausnahme bis zur afghanischen Grenze in tadellosem Zustand.

 

Der Weg führt uns die nächsten 500km entlang des Grenzflusses zwischen Tadschikistan und Afghanistan. In dem engen Tal trennen nur wenige Meter Fluss die beiden Länder und da die afghanischen Dörfer nur einen Steinwurf entfernt sind, bekommt man einen klitzekleinen Einblick in das Leben auf der anderen Seite.

 

Es gibt keinen Vergleich zwischen den beiden Seiten. Auch wenn dieser abgelegene Teil Tadschikistans einer der ärmsten des Landes ist, sind die Frauen hier modern gekleidet und gehen ohne Kopftuch ihrer Wege, während die Afghaninnen auf der anderen Seite komplett verhüllt vor ihren stromlosen Lehmhütten stehen. Auch gibt es auf dieser Seite vereinzelt Verkehr. Ab und zu überholen wir einen chinesischen Lastwagen samt Anhänger der grade mal so eben auf die enge Straße passt. Auf der anderen Seite sehen wir nur Esel und ganz selten mal ein kleines Motorrad auf dem engen, in den Berghang geschlagenen Pfad fahren.

 

 

Die Dörfer auf der afghanischen Seite des Flusses verzaubern einen durch ihre karge Schönheit.
Die Dörfer auf der afghanischen Seite des Flusses verzaubern einen durch ihre karge Schönheit.

Kurz vor Kalaikum wird die Straße schlecht. Man ahnt, dass es mal einen Straßenbelag gegeben haben muss, da man ab und an unsanft einen Brocken davon unter die Räder bekommt. Ansonsten bestehen die nächsten 200km nur aus Schlaglöchern unterschiedlichster Tiefe. Warum man diese Strecke den Pamir „Highway“ nennt, bleibt uns verborgen. Dies muss ein super Marketing-Gag der Tadschiken gewesen sein, denn man kann oft nur Schritttempo fahren. 

 

In Khorog, der einzigen größeren Siedlung im Pamirgebiet, machen wir ein paar Tage unfreiwilligen Zwischenstopp. Es gibt in der Stadt ein indisches Restaurant und nach der eintönigen Tadschikischen Küche, die häufig nur aus fettigem Plov oder fadem Hacksteak mit Buchweizen besteht, gönnen wir uns diese kulinarische Abwechslung. Leider rächt sich dies sofort mit starkem Durchfall.

Von Khorog führen zwei Strecken durch den Pamir. Wir entscheiden uns für die südliche Route durch das Wakhan Tal, weiter entlang des Grenzflusses. Die Strecke ist landschaftlich einfach atemberaubend und steigt nicht so steil an wie die nördliche Route. So können wir uns langsam an die Höhe gewöhnen. So zumindest der Plan, denn ab ca. 3000m bekommen Linda und ich Symptome der Höhenkrankheit: Kopfschmerzen, Herzrasen, Adrenalin, Schwindelgefühl. Wir lassen es langsam angehen und planen unsere Strecke so, dass wir maximal 200 Höhenmeter pro Tag zurücklegen.

 

 

Volle Hütte! Die beiden Anhalter August und Sahd sind froh eine Mitfahrgelegenheit gefunden zu haben.
Volle Hütte! Die beiden Anhalter August und Sahd sind froh eine Mitfahrgelegenheit gefunden zu haben.

Wir übernachten an den Bibi Fatuma Thermalquellen und treffen dort Claudia und Florian wieder. Gemeinsam genießen wir ein Bad in den 40°C heißen Pools.

 

An der Ruine einer alten Lehmfestung halten wir an und wandern völlig allein durch die wenig beeindruckenden Überreste. Doch wir werden bald von dem örtlichen Bauern entdeckt, der sofort seinen Souvenirstand für uns ausbreitet. Er verkauft unter anderem auch traditionelle afghanische Kleidung, und so kann ich es mir nicht verkneifen mir auch einen Afghanenhut und Schal zu kaufen.

 

In Langar, dem letzten kleinen Dorf des Wakhan Tals, gabeln wir August und Sahd auf. Die beiden kommen aus Schweden und Großbritannien und sind per Anhalter unterwegs. In Anbetracht der Tatsache, dass es im Wakhan Tal quasi keinen Verkehr gibt, eine sehr gewagte Art zu reisen. Auch uns sagen sie, dass wir die ersten und einzigen seien, die in den letzten sechs Stunden hier durchgekommen sind. Entsprechend froh sind sie als wir ihnen bedeuten, dass sie sich zu Schrumpel auf die Rückbank kuscheln können.

 

 

Afghanische Händler reisen mit ihren Kamelen und Eseln auf der anderen Seite des knöcheltiefen Grenzflusses
Afghanische Händler reisen mit ihren Kamelen und Eseln auf der anderen Seite des knöcheltiefen Grenzflusses

Wir fahren wieder nur einige hundert Höhenmeter und übernachten direkt am Grenzfluss diesmal auf 3500m. Der Fluss ist hier nur noch knöcheltief und es ist ein Leichtes mal eben auf die afghanische Seite zu hüpfen um ein Selfie zu machen. Grenzpatroullien oder jegliche Art von Militär haben wir seit Khorog nicht mehr gesehen. Auch gibt es keine Dörfer oder Siedlungen mehr. Wir treffen nur noch ein paar Viehirten, die ihre Herden mal auf diese, mal auf die andere Seite der Grenze treiben.  Dass ich mal mit meiner Familie wenige Meter neben der afghanischen Grenze campe, hätte ich mir vor der Reise auch nicht vorstellen können.

 

Wir treffen Agathe und Matthieu in ihrem Defender wieder und übergeben die beiden Anhalter. Mir geht es weiterhin nicht gut und wir bleiben lieber noch eine Nacht an Ort und Stelle. Der Durchfall wird nun von schlimmen Krämpfen begleitet und die Symptome der Höhenkrankheit begleiten uns weiterhin. Die dünne Luft tut ihr übriges, jede kleine Bewegung anstrengend wirken zu lassen.

 

Entsprechend klein fällt die nächste Etappe aus. Nur 12km Strecke, bzw. 200 Höhenmeter trauen wir uns. Im Schatten eines verfallenen sowjetischen Grenzturms schlagen wir unser Nachtlager auf. Die Nacht wird wieder schlimm. Vor Schmerzen durch die Krämpfe kann ich kaum ein Auge zu tun. Auch Linda bekommt keinen Schlaf: Die Kopfschmerzen werden so stark, dass selbst großzügig dosiertes Ibuprofen nicht mehr hilft.

 

 

Je höher man kommt, desto karger wird die Landschaft im Wakhan-Tal
Je höher man kommt, desto karger wird die Landschaft im Wakhan-Tal

Früh am Morgen fällt dann unsere Entscheidung: Wir drehen um. Die Gefahr, dass wir uns nicht mehr adäquat um Johann kümmern können ist einfach zu groß. Und wer soll den LKW durch die steilen engen Bergstraßen fahren, wenn ich nicht mehr kann? Also geht es zurück. Doch wir kommen nur wieder genau die 12km bis zum Übernachtungsplatz des Vortages. Hier treffen wir Claudia und Flo wieder, die einen Tag hinter uns unterwegs sind. „Ihr fahrt in die falsche Richtung!“ klärt uns Flo bei der Begrüßung mit einem Lächeln auf. Die beiden bieten an erstmal mit uns auf dieser Höhe stehen zu bleiben und unseren Zustand zu beobachten. Tatsächlich machen die 200m Höhe einen Unterschied und zumindest die Kopfschmerzen klingen im Laufe des Tages wieder ab. Wir verbringen den Tag damit Murmeltiere zu beobachten und uns von den Strapazen der Nacht zu erholen.

 

Flo überredet uns doch im Konvoi weiter zu fahren. Er hatte bis vor kurzem selbst einen Unimog und könnte zur Not als Fahrer einspringen. Auch könnte er uns im Notfall schnell mit dem Sprinter über die Nordroute zurück nach Khorog fahren. Unseren ursprünglichen Plan weiter entlang des Tals zum abgelegenen Zorkulsee zu fahren, beerdigen wir natürlich. Wir wollen nur so schnell wie möglich durch die Hochebenen und wieder runter aus dem Gebirge.

 

 

Flo und Johann helfen dabei die Böschung zu stabilisieren
Flo und Johann helfen dabei die Böschung zu stabilisieren

Der Weg führt uns zunächst auf einen Pass bei 4300m. Hier treffen wir einen alten Bekannten von Claudia und Flo, der in die andere Richtung unterwegs ist. Während die drei sich noch über alte Geschichten austauschen, machen wir uns schon mal weiter um den hohen Pass schnell hinter uns zu bringen. Wir fahren häufig auf den Spuren neben der ausgefahrenen Staubstraße, und als wir dann wieder zurück auf die Straße biegen wollen passiert es: Die kleine Böschung rutscht weg und der LKW neigt sich gefährlich zur Seite. Mist.

 

Wir stabilisieren die Böschung mit den Sandblechen und graben auf der erhöhten Seite eine kleine Fahrspur aus, um die Schräglage zu lindern. Auf über 4000m kostet diese Aktion mächtig Puste. Aber nach einiger Zeit können wir den LKW unbeschadet wieder auf die Straße bringen.

Wir achten darauf für das Nachtlager möglichst tiefe Senken im Gebirge anzufahren um auf 3600m – 3700m zu übernachten und somit die Auswirkungen der Höhenkrankheit etwas abzuschwächen. Leider sind dies nicht immer die landschaftlich schönsten Orte des Gebirges, und so verbringen wir eine Nacht in dem trostlosen Ort Murghab.

 

 

Die Moorlandschaften geben dem Pamir seine typischen Farben
Die Moorlandschaften geben dem Pamir seine typischen Farben

Den Rest des Pamirs fahren wir in einem Rutsch durch. Die Straße ist mittlerweile wieder durchgehend geteert, jedoch ist der Belag so wellig, dass man auch bei schnurgrader Straße maximal 30kmh fahren kann.

 

Langsam fahren wir über den höchsten Pass mit 4655m. Der Saugdiesel quittiert die dünne Luft in dieser Höhe mit einer großen schwarzen Rauchsäule, die wir hinter uns herziehen. Auf dem Pass treffen wir Fahrradfahrer, die uns entgegenkommen. Nach einem kurzen Gespräch bin ich heilfroh nicht auf Muskelkraft angewiesen zu sein. In dieser Höhe auch noch strampeln, würde bei mir keine Glücksgefühle freisetzten.

 

 

Gegen Nachmittag erreichen wir dann endlich die Grenze. Der tadschikische Grenzposten auf 4300m besteht aus ein paar Lehmhäusern mitten im Schlamm. Die Grenzbeamten versuchen uns eine Strafe für ein fehlendes Desinfektionsprotokoll bei der Einreise (!) aufzubrummen. Aber ich stelle mich stur. Dann merken Sie, dass wir ja unsere Straßensteuer nicht verlängert haben und bedeuten uns doch zurück nach Khorog zu fahren, um dies zu erledigen. Jetzt werde ich noch sturer und bedeute den Beamten, dass ich nur in eine Richtung von diesem Berg runter fahren werde, und diese führt definitiv nicht die 2000km zurück nach Khorog. Er schaut in seine Liste und rechnet eine Strafe von 2100$ aus. Nach einiger Diskussion steige ich in den LKW und verlasse ohne Strafzahlungen die Grenze in Richtung des grünen Kirgisistans.